Ein Wort aus der katholischen deutschsprachigen Markusgemeinde Kairo
Msgr. Joachim Schroedel
joachim@schroedel.net
01222144788
In der letzten Ausgabe der BEGEGNUNG schilderte Pfr. Layer seine Erfahrungen in der Deutschen Evangelischen Oberschule. Ein Kind hatte gefragt: „Warum falten wir die Hände beim beten?“. Die Antwort eines Kindes machte ihn sprachlos: „Weil wir unsere Hand in Gottes Hand legen und uns an ihr ganz festhalten“. Und Pfr. Layer wünschte den Lesern, dass sie „auch in Durststrecken und an Tiefpunkten diese Erfahrung machen können“.
Wer hätte damals ahnen können, wie wichtig dieser Wunsch für uns, ja, für die ganze Welt sein würde. Ein quasi nicht sichtbares Virus, noch nicht einmal ein Lebewesen, macht der ganzen Welt Angst! Noch niemals, seit das Christentum unter Kaiser Galerius (311 nC) freie Kultausübung geschenkt bekam, zelebrierte der Papst quasi alleine die Kar- und Osterliturgie. Es gab wohl immer wieder „geheime Gottesdienste“ und Versammlungen, besonders von religiösen Gruppierungen, die nicht dem „mainstream“ folgten. Aber das waren Einzelfälle. Und wohl noch nie seit Mohamed (+577) wurde quasi in der ganzen muslimischen Welt das gemeinsame Gebet verboten.
Wir sind in Gottes Hand, und wir können uns an ihm fest halten.
Hatten wir das vielleicht in den letzten Jahrzehnten vergessen? Höher, weiter, schneller, besser als die „Dritte Welt“, fortschrittlich, frei, ungebunden, niemandem Rechenschaft schuldend ... das waren doch unsere Gedanken. Und nun sind wir dazu gezwungen, „zuhause“ zu bleiben, höchstens zu Zweit (in Deutschland) auf die Straße zu gehen, keine der lieb gewordenen Bars und Restaurants zu besuchen. Und vor allem: Unsere geliebte Bewegungs- und Reisefreiheit ist uns genommen. Zwischen der Schweiz und Deutschland stehen Zäune, alle Länder riegeln ab. Für uns in Ägypten bedeutet das: Kein schneller Flug über Ostern zu den Lieben zuhause, ja noch nicht einmal über Sham en Nessim, dem beliebten Ostermontag und eigentlich einem pharaonischen Frühlingsfest, ans Rote Meer.
Wer Jahrzehnte lang in der so genannten „DDR“ leben musste (ich gehöre dazu) weiß, was „eingesperrt“ bedeutet. Deutschland macht große Fortschritte in der Bekämpfung bzw. Eindämmung des Virus und dessen Verbreitung (ich schreibe diesen Text am 18. April). Doch uns in Ägypten steht mit Sicherheit noch Einiges bevor.
Vor einer Woche hatte ich mich auf die Osternacht vorbereitet. Ich konnte sie, wie alle anderen Gottesdienste und Messen auch, mit den Borromäerinnen „ganz privat“ feiern. Heute (18.4.) ist Karsamstag für die ägyptischen Christen, unsere koptischen Freunde. Und auch andere orientalische Kirchen feiern morgen Ostern. Und am kommenden Freitag (24.4.) wird für 85% der Ägypter der Ramadan beginnen – der wichtigste und schönste Monat des Jahres. Auch für sie wird vieles ausfallen, besonders die vielen Begegnungen, die Ägypter eigentlich erst am Leben erhalten. Mehr als andere sind Ägypter „Familienmenschen“. Und das soll und darf jetzt alles nicht sein.
Wir sind in Gottes Hand, und können uns daran festhalten.
Dieser Satz ist ein religiöses Bekenntnis. Wir Christen tun uns mit diesem Bekenntnis zunehmend schwer. Für Muslime ist dieser Satz schon fast selbstverständlich; was heißt denn „incha Allah“ oder „rabbina mawgud“?
Vor einigen Tagen sagte mir ein amerikanischer Freund: „God is not punishing us; but he is twisting our ears (Gott bestraft und nicht, aber er dreht uns am Ohr)!“.
Zieht Gott uns die Ohren lang? Zugegeben: Ein sehr kindliches Gottesbild. Aber ich weiß auch: wenn liebende Eltern einem „die Ohren lang zogen“, meinten sie es nicht „böse“ und wollten nicht ihre „Rachegelüste“ (die Eltern ohnedies eigentlich nicht haben) befriedigen. Ich habe mir dadurch Manches gemerkt. Es geschah aus Liebe!
„Merk es Dir, Freundchen“; wenn das eine Botschaft ist, die mir in diesen Tagen aufleuchtet, dann ist es schon etwas. Die christliche Botschaft ist seit Johannes dem Täufer und Jesus selber die gleiche: „Kehrt um, denn das Himmelreich ist nahe“ (Mt 3,2; Mk 4,17)! Haben wir das vergessen? Manche sagen: „Es wird nichts mehr so sein, wie vorher“. Der Unterton ist pessimistisch-frustriert. Aber: Es könnte auch anders gehen: Wir denken nach, wo wir Umwelt und Menschen zerstören, wo wir nur noch egoistisch handeln. Und wir beginnen, neu auf unser Lebensziel zu schauen. Und das ist nicht Karriere, Geld und Gesundheit. Es ist und bleibt unausweichlich der Tod. Aber die Botschaft von Ostern ist: Christus hat den Tod besiegt! Also gehen wir eigentlich dem wirklichen Leben entgegen, und nicht dem Tod!
Und falls jemand meinte, wir wären hier schon im Paradies? Kehrt um! Wir sind hier niemals zuhause!
Paulus sagt: „Unsere Heimat aber ist im Himmel, von dort her erwarten wir auch Jesus Christus den Herrn, als unseren Retter, der unseren armseligen Leib verwandeln wird in die Gestalt seines verherrlichten Leibes, in der Kraft, mit der er sich alles unterwerfen kann“ (Phil 3,20).
Ich wünsche Ihnen allen, dass Sie aus dieser Krise gestärkt und gläubiger hervor gehen. Dass wir alle klarer sehen lernen. Dass wir einander dienen und nicht einander beißen. Und dass wir einander den Weg zeigen, der letztlich zu Christus, also: in den Himmel führt!
Bleiben Sie gesund, und lassen Sie sich von der Hand Gottes führen!
Ihr Abuna Joachim Schroedel
Kairo, am Weißen Samstag, 18. April 2020
GOTTESDIENSTE UND MÖGLICHKEIT ZUM EMPFANG DER HEILIGEN KOMUNION
In den kommenden Wochen (Vom 03. Mai an) werden an jedem Sonntag um 07:00 Uhr und um 09:00 Uhr in der Kapelle der Barmherzigen Schwestern vom Hl. Karl Borromäus, 8, Sharia Muhammed Mahmoud, Bab el Louk, zwei Heilige Messen gefeiert.
Die Kapelle hat 140 Sitzplätze. Wir haben 6 Schwestern. So ist auch ein sicheres Abstandhalten möglich. Parkplätze im Hof.
Die Heilige Kommunion wird auch außerhalb der Heiligen Messe auf Anfrage gespendet; als Hauskommunion oder in der Kapelle.
Täglich feiere ich um 08:00 Uhr die Heilige Messe als Privatmesse in meiner Wohnung. Wer gerne eine Intention hat (Gebet für einen lieben Menschen, einen Verstorbenen oder ähnlich) möge mich bitte unser der o.a. Rufnummer kontaktieren oder mir eine e-mail senden.
Selbstverständlich stehe ich auch für das Heilige Sakrament der Busse (Beichte) zu Verfügung. Mit Sicherheit immer vor der Heiligen Messe am Sonntag um 09:00 Uhr.
Aktuelles finden Sie immer auf unserer Homepage:
http://www.markusgemeinde-kairo.org
Geistliches Wort in der BEGEGNUNG
November 2018 - Dezember 2019
November - Advent – Weihnachten – Neues Jahr
„Schon wieder Weihnachten!“ – So höre ich bereits einige fast schon verzweifelt rufen. Das „Schon wieder“ oder „wie schnell die Zeit vergeht“ sind schon fast hilflos erscheinende Floskeln für einen klaren Sachverhalt: Wir sind als Menschen, die Welt ist als Schöpfung nicht „unendlich“! Wir werden älter, haben vielleicht schon sechzig- , siebzig- oder gar achtzigmal Weihnachten gefeiert. Und gerade an den Scharnieren des Jahres, am Geburtstag Jesu und an unserem eignen Geburtstag stellen wir uns – zumeist heimlich – die Frage: Wie lange denn noch?
Die großen Themen dieser Zeit drehen sich letztlich um die gleiche Frage: Klimawandel, Bevölkerungsexplosion, globale politische Bedrohungen; wie lange wird diese Welt bestehen? Unheilspropheten werden dann diejenigen genannt, die ein baldiges Weltenende zu erkennen behaupten. Und „Aktivisten“ sind anderseits diejenigen, die meinen, die Welt noch irgendwie retten zu können, oder zumindest den Zerfall und die Zerstörung der (Um-)Welt etwas heraus zu zögern.
Sind das „finstere Gedanken“, die nicht zum schönen und gemütlichen Weihnachtsfest passen? Ich meine, das Gegenteil ist der Fall!
Jeder Mensch feiert heute „irgendwie“ Weihnachten. Freilich die meisten nicht im christlichen sondern irgendwie in einem „kulturellen“ Sinn. Weihnachten sei ein Fest der Liebe und des Friedens, ein Fest der Familie und besonders der Kinder. Weihnachten, so heißt es, lässt für wenige Stunden die Sorgen des Alltags vergessen. Weihnachten, so würde ich es heute beschreiben, ist zu einem „Kuschelfest“ geworden, dass der innerweltlichen Realität eine „Auszeit“ geben soll. Ein Fest mehr oder weniger frommer Gedanken, zumeist bei Älteren mit dem Blick in eine verklärte Vergangenheit, die es zwar so nie gegeben hat, die aber offensichtlich immer wieder auch so etwas wie Trost gibt. Früher was es halt schöner, besser, würdiger, freundlicher.... weihnachtlicher eben.
Doch das echte Weihnachten ist kein Fest des Rückblicks. Christen sollten eigentlich nie zurück sehen in eine Vergangenheit, von der sie dächten, sie wäre so schön gewesen. Nein, das „Goldene Zeitalter“ hat es meines Erachtens nie gegeben. Schon der Monat November mit seinen vielen Totengedenken ist eigentlich kein Monat des Rückblicks. Er bietet eher die Chance des klaren und ehrlichen in die uns noch verborgene Zukunft zu sehen. Denn eines ist klar: Auch wir sterben. Das „Wie lange noch?“ begleitet uns eben auch hier. Viel besser und tröstlicher ist der Blick in ein Leben, von dem Christen sagen, es sei „ewig“. Wir gehen unsere Lebensjahre nicht so, als ob wir nichts anderes hätten. Unser Leben ist und bleibt, biblisch betrachtet, ein Weg, den wir gehen müssen, denn wir wurden bildlich gesprochen „aus dem Paradies“ vertrieben. Nur in der Ostzone gab es ein „Arbeiter- und Bauernparadies“ – so hatte man behauptet. Unser Lebensweg hat aber ein Ziel: Das Ewige Leben.
Hier sind sich im Übrigen alle drei monotheistischen Religionen einig. Unser Leben auf der Erde definiert sich vom Blick auf die Möglichkeit des Ewigen Lebens in der Herrlichkeit des Schöpfergottes in Vollendung. Und wer hat uns die Steine auf dem Weg ist wirkliche Paradies aus dem Weg geräumt? Der menschgewordene Gott, also Gott selber, der sich hingegeben hat in seinem Sohn Jesus Christus.
Zu Weihnachten wird uns tatsächlich der „Schlüssel zum Paradies“ geschenkt: In der Krippe von Bethlehem liegt er. Denn dieser Jesus, im Gestank dieser Welt gekommen, teilt unser Leben über seine 33 Jahre hin. Er stirbt einen schändlichen Tod, aber er ersteht zur Herrlichkeit des Himmels! Ja, er öffnet den Himmel, das Paradies, unsere Göttliche Zukunft.
Ich wünsche Ihnen den Mut, voll Freude in eben diese „göttliche Zukunft“ zu blicken. Oder, um es mit Dag Hammarskjöld (+1961) zu sagen: Dem Vergangenen: DANK! Dem Kommenden: JA!
Mit Gottes Segen,
Ihr Abuna Joachim Schroedel
(joachim@schroedel.net)
Geistliches Wort zum Beginn des Ägyptenjahres 2018/19
Ein neuer Lebensabschnitt!
September und Oktober eines jeden Ägyptenjahres sind geprägt vom Neuanfang! Entweder, man kommt nach langer Pause wieder ach Kairo zurück oder es beginnen Menschen einen neuen Auftrag; es ist immer wieder eine Herausforderung. Viele unserer deutschsprachigen Freude sagen: Es ist wichtig, dass ich eine Form der Gemeinschaft finde, die über politische oder religiöse Definitionen heraus führt. Doch zugleich kommt ein jeder mit diesen entsprechenden Definitionen. Für mich ist und was es in jedem Land der Welt schön und helfend, wenn ich jemanden treffe, der meine „Weltanschauung“ teilt.
Doch „Weltanschauung“ bedeutet ja auch: Grundsätzlich seine eigene Vorstellung von „Gott und Welt“ zu teilen. Gibt es einen Gott, oder ist dies alles Produkt des „reinen Zufalls“? Wenn jemand mit einem eher atheistischen Ansatz nach Ägypten kommt; ja, wir als deutschsprachige können und wollen sogar diese Freiheit akzeptieren. Für unser gastgebendes Volk freilich, die Ägypter, scheint klar zu sein: Wer nicht an Gott glaubt wird die grundlegenden Strukturen des ägyptischen Lebens nicht erfassen. Mit anderen Worten: Wer wirklich Atheist ist und dies so bekennen will, wird es nicht leicht haben. Wohlauf: Auch das ist (oder wäre) eine neue Herausforderung. Empfehlen würde ich diesen Weg freilich nicht...
Weltanschauung kann aber auch eine religiöse Dimension haben – meines Erachtens ist das ohnedies so. Eine christliche Haltung den Dingen dieser Welt gegenüber kann das eigene Profil sehr schärfen. Ich habe in den letzten 24 Jahren schon oft erlebt, dass jemand, der eher „gleichgültig“ gegenüber seinem „Taufglauben“ war, gerade durch die hier so religiös gesättigte Atmosphäre wieder zum eigenen christlichen Glauben zurück gefunden hatte.
Dieser „neue Lebensabschnitt“ hier in Ägypten könnte also durchaus wichtig werden. Wo stehe ich als Mensch? Habe ich eine Lebensphilosophie? Habe ich einen Glauben? Wo kann ich mich vertiefen im Glauben? Will ich glauben? Will ich Christ sein? Was hat das dann für Konsequenzen? Sollte ich in dieser Zeit neu suchen? Nach was eigentlich – sollte ich suchen?....
Ja, die ersten zwei Monate halten Wochen oder Neuorientierung bereit. Chancen, die SIE nutzen könnten. Es geht nicht nur darum, sich hier in Ägypten „zurecht-zu-finden“; es geht um SIE persönlich und letztlich um eine immer wieder neu zu treffende Lebensentscheidung. Die Seelsorger der evangelischen und katholischen Gemeinde, und natürlich auch ganz viele Mitchristen, die Ihre Hände nach Ihnen ausstrecken, um Sie zu begrüßen und sie zu begleiten, sind bereit! Vom „Ahlan-wa-sahlan – Abend“ der evangelischen Gemeinde bis zum „Fest der Begegnung“ im Garten der katholischen Borromäerinnen zu Maadi; wir freuen uns auf Sie! Nutzen Sie die Chance Ihres neuen Lebensabschnitts. JETZT können sie neu anfangen!
Mit Gottes Segen,
Ihr Abuna Joachim Schroedel
(joachim@schroedel.net)
(veröffentlicht in der BEGEGNUNG Sept/Oktober 2018)
Aus dem Vatican-Magazin, Februar 2018
Fastenzeiten
Joachim Schroedel
Kaum ist die kurze Weihnachtszeit 2017/18 vorbei grüßt bereits, besonders deutlich für die Katholiken, welche die Liturgie nach der „außerordentlichen Form“ der römischen Liturgie feiern, die (Vor-)Fastenzeit.
Für mich, als „halber Orientale“, ist das jedoch nichts Ungewöhnliches; die koptisch-orientalische Christenheit fastet etwa 180 Tage im Jahre. Dabei sind diese Fastenzeiten nicht, wie in der römischen Kirche seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil, eine Sache des „selbstgewählten Verzichts“. Allenfalls Aschermittwoch bzw. Karfreitag sollten mit dem Verzicht auf Fleisch daher gehen. Koptisches Fasten ist „vegan“, man verzichtet auf alle tierischen Produkte, also auch auf Butter, Käse oder Eier. Darüber hinaus sind alle „großen Fastenzeiten“ länger als im römischen Ritus. So ist dauert etwa österliche Fastenzeit 55 Tage, auch Sonntage sind Fasttage.
In der katholischen Kirche ist der Gedanke des körperlichen Fastens und des bewussten Verzicht auf Speise in den letzten Jahrzehnten wohl eher zurück getreten. Offiziell sprechen wir ja auch von der „österlichen Bußzeit“ – doch im allgemeinen Sprachraum hat sich dieser Begriff kaum durchgesetzt.
Im protestantischen Bereich wird die Zeit vor Ostern zu einem „Aktionszeitraum“ umgestaltet: „Sieben-Wochen-Ohne“, als selbst definierter Verzicht auf etwas Materielles, um den Bedürftigen und Armen vom Überfluss zu geben. Diese Konnotation einer Fastenzeit ist auch im islamischen Fastenmonat Ramadan von nicht geringer Bedeutung.
Andererseits beobachten wir im Europa der letzten Jahre einen wahren Boom der Fastenindustrie. Fastenkliniken haben Hochkonjunktur, und das eben nicht gerade nur in der Fastenzeit, sondern ganzjährig! „Den Körper entgiften“, „entschlacken“, überflüssige Pfunde los werden, „etwas für sich tun“; „Detox“ als eine zwar harte, aber letztlich sinnvolle Zeit, die den Körper „entgiften“ soll. Dem Menschen wird gesagt: Durch übermäßige Nahrungsaufnahme wird der Mensch krank, er braucht nicht so viel, wie er aufnimmt, und wenn er sich nicht richtig ernährt (am besten nach den Rezepten der Kliniken), wir er krank. So wird aus dem Verzicht letztlich ein Gewinn. Der fastende Mensch wird sich wieder auf das Wesentliche besinnen und bestenfalls einen „neuen Lebensstil“ finden.
Es ist schade, dass die katholische Kirche (neben vielem Anderen) auch die Fastenzeit quasi abgeschafft hat. Im übrigen sind ja auch die Fasttage der Woche, Mittwoch und Freitag, kein Thema mehr – es sei denn für den Gastronomen, der am Freitag besonders gute Fischgerichte anbietet!
Die orientalischen Christen in Ägypten nehmen die Fastenzeiten sehr ernst. Es sind Zeiten der Härte gegen sich selbst und der meist gelingende Versuch, menschliche Gier und Egoismus zu überwinden. „Durch das Fasten des Leibes hältst du die Sünde nieder, erhebst du den Geist, gibst du uns die Kraft und den Sieg durch unseren Herrn Jesus Christus. “ – so betet der Priester in einer Fastenpräfation.
Ich denke, wir haben es in unserer Kirche aus lauter Angst, Menschen würden uns dann den Rücken zuwenden, zu einfach gemacht. Die strengen Fastengebote, klare Vorschriften (so auch etwa das Kirchengebot der Teilnahme an der Sonntagsmesse, der Verpflichtung zur Heiligen Beichte) wurden entweder relativiert oder werden heute vielfach einfach verschwiegen. Für nicht wenige Priester scheint der Hinweis auf Pflichten, die ein Katholik hat, eher peinlich und zumindest nicht mehr zeitgemäß. Schließlich, so habe ich es schon gehört, will man den Menschen ja kein schlechtes Gewissen machen.
Die orientalischen Christen sind stolz, wenn sie die Fastenzeiten gut eingehalten haben. Nicht weniger stolz sind diejenigen, die in teuren Fastenkliniken Deutschlands die harten Verzichte ertragen und „durchgehalten“ haben. Vielleicht könnten wir Katholiken von beiden lernen! Körperliches Fasten führt den Menschen mit Sicherheit auf einen neuen Weg. Und jeder „Rückfall“ ist kein Scheitern, sondern eher Ansporn, es noch einmal zu versuchen. Der Mensch kann seine Triebe beherrschen, er kann selbst den negativen Versuchungen und Verlockungen widerstehen. Alle großen Religionen kennen Fastenzeiten – wir Katholiken sollten sie wieder entdecken.
Zur Adventszeit
Zum November
Mit dem November treten wir in eine etwas dunklere Zeit ein; der Monat zum Ende des Kirchenjahres ist geprägt vom Wort „Abschied“. Es kann eine Zeit der Dankbarkeit für Vergangenes sein – auch wenn es im Rückblick Ereignisse gab, die auf den ersten Blick eher verstörend, ärgerlich oder angstmachend waren. Unsere Zeit liegt in Gottes Händen – und dort liegt sie mit Sicherheit gut! Schließlich ist auch das Totengedenken, das wir gemeinsam auf dem Deutschen Friedhof am Sonntag, dem 19.11. halten, ein dankbarer Rückblick auf diejenigen, die wir hatten und von denen wir stammen. Der letzte Sonntags des Kirchenjahres wird in der kath. Kirche „Christkönigs-Sonntag“ genannt. Unser Herr ist auch „Herr der Zeit“.
Dann aber geht es „dem Herrn entgegen“ – Adventus Domini, Ankunft des Herrn! In diesem Jahr ist der Advent so kurz wie es geht; am 24. Dezember, dem „Heiligen Abend“ ist vierter Adventssonntag und am Abend Christmette. Eine Herausforderung für alle, die sich Christen nennen. Denn: „wir haben nicht viel Zeit“! Der mennonitische Prediger Bernhard Hader (1878-1970) formulierte in einem Lied:
Die Zeit ist kurz. O Mensch, sei weise
und wuchere mit dem Augenblick.
Nur einmal machst du diese Reise,
lass eine Segensspur zurück.
Ich wünsche Ihnen allen, dass Sie die Zeit nutzen können. Wie oft „verplempern“ wir sie. Leider auch in der Adventszeit, die ja eine Zeit der Ruhe und Besinnung sein sollte, hasten wir und meinen, durch Aktivismus dem lieben Gott zeigen zu müssen, wie gut wir sind... Seien Sie gewiss: Wir müssen es nicht!
Eine gesegnete, gnadenreiche Zeit wünscht Ihnen
Ihr Abuna Msgr. Joachim Schroedel
Euer Abuna Joachim Schroedel
Im Zeichen des Kreuzes – geboren!
Christen im Heiligen Land Ägypten feiern Weihnachten
Msgr. Joachim Schroedel, Kairo
(am 6.1.2017 an Michaela Koller, für VATICANISTA)
Vor 85 Jahren wurde der Historienfilm „Im Zeichen des Kreuzes“ inszeniert und im November 1932 zum ersten Mal gezeigt. Der Film von Cecil B. DeMille mag heute eher ein Melodram sein, ähnlich wie seine anderen Filme „Die Zehn Gebote“ (1923) oder „König der Könige (1927). Doch scheinen gerade diese Filme in ihrer Dramatik und mit Darstellern, die bis heute unübertroffen sind (z.B. Charles Laughton als Nero in „Zeichen des Kreuzes“), auf besondere Weise selbst junge Leute wieder anzuziehen.
„Im Zeichen des Kreuzes“ leben heute Millionen Christen in der Diaspora – unter Anders- oder Ungläubigen. Das Kreuz ist mehr denn ja „Ärgernis“ geworden zu sein. Selbst in Deutschland, einem ehemals christlichen Land, das mit letzter Kraft in diesem Jahr des „Reformators“ und Priesters Martin Luthers gedenkt, werden Kreuze abgehängt – in der Ideologie der „Freiheit“. Die Vorbereitung auf den 230. Gedenktag der französischen Revolution von 1789 ist schon absehbar. „Einheit, Freiheit und Brüderlichkeit“ treten an die Stelle von Gottesfurcht und Demut unter dem Willen Gottes.
Nicht so bei den Christen, die am 7. Januar das Fest der Geburt des Erlösers begehen. Nicht so bei den Kopten, die mit 15 oder mehr Millionen Christen in Ägypten einen beträchtlichen Teil der Bevölkerung stellen. Es scheint, mit der Beibehaltung des julianischen Kalenders haben diese Christen auch die ganze Kraft des Urchristentums beibehalten. Die Reform des Kalenders nach Gregor XIII. im Jahre 1582 scheint wie die Einführung der Reformation – und damit des Abschieds – vom Glauben der Urkirche, vom Glauben der Märtyrer und anderer Getreuen. Mit der Heiligen Teresa von Avila (+ 4. Oktober 1582)starb endgültig und für immer die Kraft der Kirche.
Die orientalischen Kirchen behielten (obwohl die wohl von der Ungenauigkeit des julianischen Kalenders wussten) die alte Zeitrechnung bei. Und daher sind die nunmehr 13 Tage Unterschied zwischen den beiden Kalendern heute noch signifikant; und die Kirche Ägyptens bleibt, als „Kirche des Kreuzes“ dieser Zählung ebenfalls treu.
Im „Zeichen des Kreuzes“ lebten die ersten Christen in höchster Bedrängnis und Todesnot. Dabei war Kaiser Nero bei weitem nicht der schlimmste Christenverfolger. Es war Kaiser Diokletian, der in Jahre 303 die größten Christenverfolgungen per Dekret anordnete. Der 29. August 284 ist der Beginn der koptischen Jahreszählung und das Jahr der Thronbesteigung Diokletians.
Dass Kreuz und Krippe nicht nur den gleichen Anfangsbuchstaben haben, sondern zutiefst miteinander theologisch und pastoral miteinander verbunden sind zeigt sich gerade in diesen Jahren besonders. Die „Kniset es Salib“ (Kirche des Kreuzes) lebt aus der unerschütterlichen Überzeugung, dass das Kreuz, einst Zeichen der Schande und des Todes, durch die Menschnwerdung des Gottessohnes zum „Zeichen des Lebens“ geworden ist. Zu Hilfe kommt ihnen dabei eine altägyptische Hieroglyphe, das Zeichen für „Anch“, „Leben“. Jedem Ägyptenreisenden ist dieses Zeichen schon begegnet, die Fremdenführer bezeichnen es oft auch als „Lebensschlüssel“. Ein kreuzförmiges Symbol, dessen oberes Ende in einem Oval besteht. Die ersten koptischen Kreuze waren eben dieses „Anch“-Zeichen.
„Christus ist Leben“ – Diesen Ruf kann man auch in der Advents- und Weihnachtszeit hören. Die ägyptischen Christen und ganz Ägypten hat schwere Zeiten zu durchschreiten. Das Attentat vom 11. Dezember in einer Kirche unmittelbar bei der Residenz des Oberhauptes der koptisch-orthodoxen Christen mit vielen Toten und Verletzten ist äußeres und bislang letztes Ereignis des Hasses gegen die Christen in Ägypten.
Und natürlich herrschen Trauer und manchmal auch Verzweiflung. Doch in vielen Begegnungen mit koptischen Freunden wird mir klar – diese Christen stehen auf dem Fundament der Apostel! Sie sind noch „Urchristen“ mit dem Bewusstsein, dass Christentum nicht eine bequeme Variante des Lebens ist, sondern etwas abverlangt. Christen in Ägypten und im ganzen Nahen Osten wissen: Wir sind bedrängt von Menschen, die und lieber heute als morgen ausgelöscht sähen. Doch es ist eben dieses Wissen, das Kraft gibt.
Am 7. Januar feiern die Christen Ägyptens das Fest der Geburt des Unbesiegbaren. Sein geschenktes Menschenleben gibt Kraft für eine bekennendes Christenleben. Das Wissen um die Kraft des menschgewordenen Gottessohnes besiegt, das ist meine Beobachtung aus Gesprächen der letzten Wochen, jede fundamentale Angst.
Es gibt somit durchaus eine Angst vor den nächsten Stunden. Familien haben Angst, Opfer blinder Gewalt zu werden. Die Christen Ägyptens befürchten, dass wieder Anschläge geschehen; gegen Kirchen, Familien oder Einzelne. Aber sie scheinen ebenfalls fest darauf zu vertrauen, dass sie auch im Tode nicht verlassen sind. Die Geschichte der Kopten ist letztlich eine einzige Leidensgeschichte – von den Römern bis zur heutigen Bevölkerungsmehrheit „nicht gewollt“. Doch neulich sagte mir ein guter koptischer Freund: Wir sind von keinem Menschen gewollt, wir werden misshandelt und ermordet. Ja, wir teilen das Geschick des Sohnes Gottes! Sein Ende ist nur in den Augen der Welt der Tod; doch er hat den Tod besiegt. Mit Ihm gehen wir unseren Weg: Vom Tod zum Leben! Frohe Weihnachten!
(Beitrag für BEGEGNUNG Dezember-Januar 2016/17)
Bald ist Weihnachten!
Für mich bedeutet das nichts anderes als: Es realisiert sich die Liebe Gottes! Seit mehr als 20 Jahren darf ich in Ägypten sein. In einem Land, das „voller Religion“ ist. Mehr als 80% der Bevölkerung glauben, dass der EINE Gott des Menschen Schicksal lenkt, dass er es gut mit denen meint, die seinen Willen erfüllen und sich ihm unterwerfen. Islam ist die Haltung der völligen Demut! ER ALLEIN ist der Herrscher; ER allein tut, was ihm gefällt! Als Christ darf ich ei- nen kleinen „Kontrapunkt“ setzen: Dieser EINE Gott, Herrscher des Himmels und der Erden, Machtvoll über Tod und Leben, hat sich in einem Akt grenzen- loser Liebe selbst „entäußert“. Er, der es nicht nötig hatte, sich klein zu ma- chen, machte sich aus Liebe klein.... sehr klein...! Wurde ein Mensch, hat sich im Menschen realisiert... wurde greifbar, fassbar, hand-zahm... handsome...
Gott wird Mensch! Eine Unverschämtheit! Gott – er hätte es nicht nötig! – zeigt seine Liebe in seiner „com-passion“ – in seiner „Mit-Passion“... seiner Liebe zum Sterblichen...
Und damit ist der Graben zwischen Tod und Leben überwunden! Gott ist nicht mehr der Strafende, Verurteilende, gar nicht der Hassende... Gott ist die Lie- be...!
Gott... Gott bei uns... Immanu ... El ..... Der Mit-Seiende Gott....
Und nur das – keine Tannenzweige und kein „jingle bells“ – ist Weihnachten!!!
In eben diesem Sinne, möget Ihr die Liebe des menschgewordenen Gottes spüren! Er ist nicht ferne; er ist bei uns, mitten unter uns, in uns! ER IST IMMANENT geworden... Imanu-El!
Euer Abuna (Vater) Joachim Schroedel