Weihnachten bei den „deutschsprachigen Lateinern“
(Römisch-katholischen Christen) in Kairo (veröffentlicht im PAPYRUS Nov.-Dez. 2015)
Wohl kein Fest der Christenheit ist emotional so überfrachtet wie das Weihnachtsfest. Und dieses Fest ist in Europa schon ab Ende September zumindest in den Supermärkten präsent – denn es ist auch ein Fest des „Super-Umsatzes“ und des Guten Gewinns.
Weihnachten: Mit diesem Wort werden hauptsächlich „Erinnerungen“ verbunden. „Wie war das damals so schön; da war es immer schneeweiß und kalt, da stapfte man zu Christmette und brachte dann, lange nach Mitternacht (und wohl, für die Erwachsenen, nach einigem Alkohol), die Kinder zu Bett, die glücklich waren über ein neues Kleid, eine Eisenbahn aus Holz oder gar ein neues Fahrrad“.
Mir scheint, diese rückwärts gewandten „Visionen“ bestimmen auch heute noch das Weihnachtsfest. Und offensichtlich scheint es zu gelingen, aus dem Gedenken an die Geburt des Heilands Jesus Christus ein „Fest der Liebe“, besser: ein „Fest der Geschenke“ werden zu lassen. Warum sonst kann es sogar in Ländern mit überwiegend muslimischer Bevölkerung gelingen, dieses Fest zum umsatzstärksten Fest des Jahres werden zu lassen? Gut, es mag sein, dass zum Beispiel hier in Ägypten der „Große Bayram“ noch mehr zum Umsatz beiträgt – aber es bleibt: Weihnachten kann man „allgemein“ feiern, denn „irgendwie haben wir uns doch alle lieb“, und in der „dunklen, kalten Zeit“ (Winter) ist es schön, etwas zur Erwärmung des Herzens und, durch Geschenke, auch des Körpers zu tun.
Zugegeben; beim Lesen der ersten Zeilen dieses kleinen Beitrages wird ein „Weihnachtsfan“ eher die Stirn runzeln und denken:“Will der Autor mir etwa Weihnachten vermiesen? Dieses schöne Fest? Das einzige, was ich noch aus der „Heimat“ (Europa) gerettet habe?
Wer unsere Gemeinde kennt weiß, dass dem natürlich nicht so ist. Es ist einfach herrlich, wenn ich, wenn irgend es geht, in Deutschland Tannenzweige finden bzw. erwerben kann, die ich dann, etwa beim ökumenischen Seniorenkaffee in der ev. Kirche zu Bulaq, austeilen kann. Und das tue ich voller Freude! Wie schön ist es, wenn mir dann manche Damen sagen: „Abuna; den Zweig vom letzten Jahr habe ich noch in meiner Schublade!“.
Aber ein Priester ist ja nicht nur dazu da, „Zuckerguss“ über das Leben der Einzelnen oder der Gemeinde zu gießen. Im Gegenteil; wenn ein Geistlicher sein „prophetisches Amt“ wahr nimmt und zu seiner Ordination/Weihe steht, wird er auch als (Er-)Mahner und Warner tätig werden.
In unserer katholischen Tradition, zu der ich ja einige Worte sagen soll, gibt es ein Gebet, das wohl von den Franziskanern des 13. Jahrhunderts stammt. Es wird (oder wurde) bis zur Neuzeit morgens um 6 Uhr, Mittags um 12 Uhr und Abends um 18 Uhr gebetet. Zwischen den einzelnen „Anrufungen“ wird immer ein „Ave Maria“ gebetet.
Gegrüßet seist Du Maria, voll der Gnaden, der Herr ist mit Dir.
Du bist gebenedeit unter den Frauen,
und gebenedeit ist die Frucht Deines Leibes, Jesus.
Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder,
jetzt, und in der Stunde unseres Todes. Amen
In seiner heutigen Fassung lautet also der „Angelus“:
„Der Engel des Herrn brachte Maria die Botschaft -
und sie empfing vom Heiligen Geiste“... Gegrüßet...
„Maria sprach, siehe, ich bin die Magd des Herrn –
mir geschehe, wie Du gesagt hast.“... Gegrüßet...
„Und das Wort ist Fleisch geworden –
und hat unter uns gelebt“... Gegrüßet...
Zweierlei wird damit klar; auch die Christen haben (oder: hatten) feste tägliche Gebetszeiten (ähnlich wie die Muslime), um Gott die Ehre zu geben, und: sie bekennen in ihren Gebeten etwas fundamental Wichtiges: GOTT IST MENSCH GEWORDEN.
In der Liturgie der Christmette (Wir feiern sie in Bab el Louk am 24. Dezember, siehe www.markusgemeinde-kairo.org) Nimmt dieses Gebet einen zentralen Stellenwert ein; Der Priester bringt eine kleine Figur des neu geborenen Jesuskindes zur vorbereiteten Krippe und legt diese Figur zu „Ochs und Esel“ und allen anderen Figuren, die wir von Kindheit an aus der „Weihnachtskrippe“ kennen. Doch dann spricht er mit der Gemeinde im Wechsel das genannte Gebet.
Das christliche Bekenntnis war und ist in vielfacher Weise auch heute noch „anstößig“. Der Christ bekennt doch tatsächlich: „Et verbum caro factum est“ („und das Wort ist Fleisch geworden“ (Joh 1)).
Er bekennt: Das, was Gott ist, was Gott will, was und wie Gott ist... all das wird uns Menschen sichtbar und greifbar in der menschlichen Gestalt dessen, der in Bethlehem geboren wurde.
„Gott wird Mensch“; das ist die Botschaft von Weihnachten!
Und auch die deutschsprachige katholische Gemeinde in Kairo macht dies in ihrer Liturgie sinnenfällig. Mit der Geburt Jesu im Stall von Betlehem wird das „Bilderverbot“ des Alten Testaments (und in dessen Nachfolge: des Islam) durchbrochen und radikal beendet. Der Christ glaubt mit der ganzen Kirche der letzten 2000 Jahre: Er, Jesus von Nazareth, das Kind, das in Bethlehem geboren wurde, ist vollkommen und letztendlich Offenbarung Gottes! In diesem Kind von Bethlehem ist Gott ZU UNS gekommen. Gottes Barmherzigkeit ist nicht mehr nur ein erhofftes Wort oder ein erbeteter Traum: Gott hat uns seine Barmherzigkeit erwiesen, indem er uns sich selbst (in Jesus Christus) geschenkt hat. Jesus ist das „Ebenbild des unsichtbaren Vaters“ (Kolosserbrief 1,15).
Ja, wir Christen feiern schon etwas für viele Menschen Unverständliches: Wir feiern die menschgewordene Liebe des EINEN Gottes! Und deshalb können wir auch in der Liturgie des Christmette bekennen: „Und das Wort ist Fleisch geworden, und hat unter uns gelebt!“. Mit dem „Wort“ ist letztlich das Liebeswort Gottes gemeint, das Wort der Schöpfung, mit dem der EINE Gott alles ins Dasein gerufen hat. Der Schöpfer hat alles gut gemacht (Quran,16:79-82 und 20: 53-55.)
Und wir Christen glauben, dass eben dieser EINE Gott MENSCH geworden ist, einer von uns, einer, der nicht nur von Mitleid spricht, sondern der wirklich „mit-leiden“ kann. Von dort ist es übrigens nur noch ein kleiner Schritt zur „Selbsthingabe“: Gott gibt sich uns hin als Mensch, der Mensch Jesus gibt sich am Kreuz für uns hin. Der Karfreitag ist dann für die Christen eigentlich nur logische Konsequenz von Weihnachten: Lieben, bis es (sehr!) weh tut – das ist Christentum.
Ich wünsche Ihnen, besonders auch im Namen unseres Bischofs Adel Zaki, eine gesegnete und tiefer gehende Weihnacht!
Msgr. Joachim Schroedel
(joachim@schroedel.net)
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Geistliches Vorwort der Ausgabe Oktober-November 2013
Versammelt um die Frucht des Kreuzes
War es Glück, war es Kalkül? Die Borromäerinnen in Kairo, die bereits seit fast 30 Jahren segensreich in Ägypten gewirkt hatten, können im Jahre 1913 ein schönes Grundstück in einer fast unbebauten Lage südlich des kairener Zentrums erwerben! Auf Bitten von Ladislaus Schneider, eines Franziskaner-paters und damaligen Seelsorgers für die deutschsprachigen Katholiken in Alexandria, waren zuvor seine leibliche Schwester, Katharina Schneider und zwei ihrer Mitschwestern zur Mitarbeit in der Seelsorge für die Deutschsprachigen nach Ägypten gekommen. Im kommenden Jahr 2014 werden wir 130 Jahre Anwesenheit der Borromäerinnen in Ägypten feiern!
Doch dieses Jahr ist die Einhundertjahrfeier des Hauses in Maadi! Am 21. April 2012 konnte die evangelische Gemeinde ihr Kirchjubiläum feiern, und wir haben Gott gedankt für diese lange Zeit deutscher evangelischer Präsenz in Ägypten! Nun danken wir Gott für 100 Jahre „Borromäerinnen in Maadi“. In einem kleinen Artikel im inneren des Heftes beschreiben wir etwas ausführlicher das Haus und dessen Aufgaben.
Aufgabe eines „geistlichen Vorworts“ in der BEGEGNUNG ist es aber seit vielen Jahren, nachdenklich zu machen.
Das Titelbild zeigt den schlicht renovierten Chorraum der Kapelle der Borromäerinnen in Maadi. Seit mehr als 20 Jahren bieten sie der deutschsprachigen katholischen Gemeinde den Raum zur Andacht und zur Feier des Opfers Jesu Christi am Kreuz. Und auch die evangelische Gemeinde war und ist immer willkommen, hier zu beten, das Wort Gottes zu hören, und dem Herrn Dank zu sagen.
Liebe Leser; stellen Sie sich vor: Bereits morgens um 5 Uhr ist dieser Blick für die Schwestern „Normalität“.
Sie sehen das große Kreuz, ein Geschenk von deutschen Kriegsgefangenen, die auch noch Jahre nach dem Ende des schrecklichen zweiten Weltkrieges in Kairo interniert waren und jeden Sonntag di Möglichkeit erhielten, zu beten und sich bei den Schwestern von Maadi bei Kaffee und Kuchen zu stärken... sie sehen darunter den Tabernakel, das kleine und so unbedeutende „Kästchen“, aber wohl verschlossen, in dem der konsekrierte, verwandelte Leib des Herrn aufbewahrt wird... sie sehen den Altar, auf dem täglich neu das Opfer Jesu Christi gefeiert wird; nicht als einfache Wiederholung, sondern als „memoria“, lebendige Vergegenwärtigung des Todes Christi am Kreuz! In jeder Heiligen Messe, so glauben wir, geschieht das, was auf dem Berg Golgotha geschehen ist: Christus stirbt für unsere Sünden, um uns zu erlösen. ER ist realpräsent unter uns, er hat uns gesagt: „Wer meinen Leib isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich in ihm“ (Vgl. Joh 13,1-17)
Und jeden Tag leben die Schwestern, lebt jeder Christ, der sich mit der einen Kirche Jesu Christi verbunden fühlt, von der Begegnung mit dem Herrn in der Eucharistie.
Wie sagte mir mal eine Borromäerin vor Jahren? : „Abuna, ich wäre schon längst gestorben, wenn ich nicht täglich den Leib des Herrn empfangen hätte! Aus ihm lebe ich, für ihn sterbe ich; Ihm bin ich, tot und lebendig!!“
Liebe Leserinnen und Leser dieser BEGEGNUNG; in Europa sind wir längst „säkular“ geworden. Oft höre ich: Natürlich bin ich offen für alles! Aber wenn jemand nach Ägypten kommt reicht dieser Satz wohl nicht ganz! Tag für Tag werden wir durch den Muezzin heraus gefordert: Was glaubst DU? Woher beziehst DU Deine Kraft? Aus Geld, vermeintlicher Macht, Einfluss, Schönheit, Berühmtheit; aus journalistischer Fähigkeit, aus meiner Gabe, die Menschen zu manipulieren...
Super; das sind alles „innere Kräfte“; ob sie gut oder böse sind will ich gar nicht sagen. Aber diejenigen, die zu Christus gehen, jeden Sonntag versuchen, IHM zu begegnen, aus der Kraft der leibhaftigen Speise der Eucharistie, dem Brot des Lebens zu leben... Sie würden es anders sagen!!
Ich lebe aus der tagtäglichen Begegnung mit dem „Überirdischen“! Ich lebe aus dem, zu dem ich hingehe, wenn ich sterben werde....! Ich lebe aus und mit dem, der mir gesagt hat, dass er immer bei mir sein wird...! Ich lebe aus der Umarmung Christi, der mich vom Kreuz her mit seiner Liebe umfasst...!
Liebe Leserinnen und Leser der BEGEGNUNG! Oktober und November sind „Monate des Abschieds“. Am ersten Advent beginnt dann wieder ein neues Kirchenjahr. Vielleicht kommen Sie einmal wider öfter in einer der immer geöffneten Kapellen... Die Borromäerinnen sind in Alexandria und Kairo tags über immer offen... und viele orientalische Kirchen sind Orte der Begegnung von Gemeinde und mit der Gemeinde zu Christus hin. Und selbst wenn Sie keine Kapelle oder Kirche finden... wie wäre es einmal, sie schauten auf das Kreuz, das irgendwie doch in Ihrer Wohnung hängt... und vielleicht beten Sie:
„Herr, so viele Menschen sehen in schweren Stunden auf das Kreuz! Lass mich einer von ihnen sein! Hilf mir, das Kreuz zu sehen, mein eigenes Kreuz zu tragen und zu wissen, dass Du, Herr Jesus, alle Kreuze dieser Welt je schon getragen hast!“
Mit priesterlichem Segen grüßt Sie alle
Ihr Msgr. Joachim Schroedel
(aus der Oktober-November Ausgabe der BEGEGNUNG 2013)